Rom und der Orient. Die Verwandlung der Mittelmeerwelt im Altertum

Die Geschichte des Altertums bietet im Mittelmeerraum eine Wechselwirkung zwischen Orient und Okzident seit dem 2. Jahrtausend v. Chr.  Schon der Name Europa ist orientalisch: Europe, ein phönizische Prinzessin, entführt von Gott Zeus an der Küste Libanons und nach Kreta gebracht. In der Frühzeit dominierten bis zum 6. Jh. v. Chr. die Reiche des Nahen Ostens: Mesopotamien, Ägypten, Persien. Die Gegenbewegung begann mit den Siegen Griechenlands in den Perserkriegen und kulminierte in Alexanders Feldzügen bis an die Grenzen Indiens (bis 325 v. Chr.). 

Mit dem Vorrücken der iranischen Parther im Osten und der Republik Rom im Westen bewegte sich das Pendel wieder zurück. Rom eroberte einen Teil des Orients, konnte aber nie die Parther und später die Perser als Großmächte ausschalten. Im Gegenteil, die hellenisierten Provinzen im Ostmittelmeer und im Vorderen Orient führten zu einer zunehmenden  Orientalisierung des römischen Reiches. Ephemer waren Syrer und Araber auf Roms Kaiserthron (Severerdynastie, Philippus Arabs); tiefgreifender waren die Beiträge des Orients zu Kunst, Philosophie und vor allem Religion. Die Osthälfte des Reiches war griechischsprachig; Rom war ein Weltreich mit zwei Hauptsprachen, auch dies ein historisches Unikum. 

Der Orient war das große Gebiet der Mysterienkulte. Die entscheidenden Religionen des 3. und 4. Jahrhunderts kamen alle aus dem Osten: Mithrasverehrung, Sonnenkult und Christentum. Die Verehrung des unbesiegbaren Sonnengottes (Sol invictus) wurde in das Christentum einbezogen: Noch heute feiern die Christen am 25. Dezember den Geburtstag Christi, und dies war zugleich der Geburtstag des Sonnengottes von Emesa in Syrien (Homs); unter Kaiser Constantin (325-337) hatte man die beiden Daten bewusst vereinigt. In der Religion hat sich der Orient durch den Sieg des Christentums seit dem 4. Jahrhundert in Europa bleibend verankert.