JOHANNES KODER  
Krampus-Heiligtümer
Wo wurde der treueste Weggefährte des Heiligen Nikolaus zur letzten Unruhe gebettet?

ROBERTO SEXAGENARIO SED IUVENI INDEVASTABILI SACRUM

Kulturanthropologen und komparativen Ethnologen ist das Phänomen geläufig, dass wahre Freundschaft nur unter Männern, nicht aber unter Frauen möglich ist. Die Erklärungsversuche für diese Einzigartigkeit von Männerfreundschaft sind so vielfältig wie diffus; aus der Vielfalt sei nur auf zwei wahrscheinliche Ansätze kurz hingewiesen, deren Kombination vielleicht einmal in Richtung einer Problemlösung weisen mag: der psychoanalytische, der den Penisneid der Frauen in den Vordergrund stellt, und der theologische, der sich auf ein seit der Erschaffung der Welt bestehendes Defizit (Ursündensyndrom!) gründet, dass nämlich die Frau nicht von Gott, sondern vom Teufel geschaffen wurde. Letzterer Sachverhalt war auch in Byzanz bekannt (1).

Da auch wir das wenig originelle Problem hier einer Lösung weder zuführen wollen noch können, soll im folgenden von Männern die Rede sein, und zwar von einem idealtypischen Paar der Kirchengeschichte, nämlich Krampus (2) und Nikolaus (3). Auffallend ist schon die stereotype Namensabfolge der beiden Untrennbaren: Ursprünglich wohl aus prosarhythmischen Gründen (4), wird der Krampus im österreichischen Volksmund meist vor dem Nikolaus genannt, doch wirkt, was ursprünglich nur Stilelement war, dahingehend, dass ersterer, der Krampus (Abb. 1) also, tatsächlich eine gewisse Interessenpriorität beim einfachen Volk genießt ... "Wie fast immer ist auch hier das Edle, Gute und Schöne wesentlich gleichförmiger und eigentlich uninteressanter als das Hässliche und Böse", wie eine bekannte kardioneokastrische Laographin (5) so trefflich bemerkt. Dieser Interessenpriorität steht ein vergleichsweise erhebliches, betroffen machendes Informationsdefizit über den Krampus gegenüber. Der vorliegende Beitrag, aus nämlicher Betroffenheit heraus geschrieben, darf in aller wissenschaftlichen Bescheidenheit für sich beanspruchen, hier methodologisch (6) und inhaltlich Neuland zu beschreiten.

Crampus
Abb. 1: Crampus ordinaerius microcephalus, var. austriacus, subsp. ruber et niger.
Pressedienst des Bundesministeriums für Regierungsbildung (Wien).

Allgemein bekannt ist das hagiographische Phänomen, dass ein echter, bescheidener Heiliger glaubenspropagandistisch nur manifest wird, wenn er einen Freund oder eine Freundin hat, der / die alles bezeugt. Denn der Heilige will zunächst allein in der Wüste mit dem Teufel und den übrigen Dämonen ringen und anschließend, nach Erringung der Leidenschaftslosigkeit (griech. apatheia) in der Stille Gutes tun, nach Möglichkeit Wunder wirken, und schließlich das Martyrium erleiden oder ein Kloster gründen. Dies bliebe aber in dieser Welt ungewürdigt, hätte er nicht einen Freund oder eine Freundin, der / die alles auf Pergament mitschreibt oder wenigstens dem Biographen mitteilt (ein treffliches Beispiel: der Hl. Narr in Christo Symeon und sein Freund Johannes, der dem Biographen Leontios von Neapolis post mortem sancti alles in die Feder diktiert). Dies trifft auch für den Hl. Nikolaus zu, dessen Taten von Nikolaus ("dem Jüngeren") von Sion für die Nachwelt festgehalten wurden, wobei der Krampus diesfalls als Zeuge und Informant diente.

Krampus selbst aber musste bisher angemessener Würdigung entraten, weil er keinen Freund hatte (7), und dies soll hiermit wenigstens teilweise wiedergutgemacht werden, indem seine Kultstätte in der Nähe der Nikolaus-Heiligtümer in Lykien, der Bischofsstadt Myra (heute Demre) und des Hagia Sion-Klosters (wohl mit Alacahisar bei Karabel zu identifizieren8), der wissenschaftlichen Öffentlichkeit näher gebracht wird. Es handelt sich dabei um die in der archäologischen Fachliteratur als "Memorialbau" bezeichnete Kirche9 nördlich des Burgberges von Asarönü10. Besagtes Objekt befindet sich nahe einem kaiserzeitlichen Gräberfeld am östlichen Abhang des Gülmez Dag( in etwa 350m ü.M., etwa 8km westlich von Limyra und 8,5km nordwestlich der Hafenstadt Finike (Phoinix), somit nur etwa 30 km östlich von Myra. Es handelt sich um ein direkt auf felsigem Untergrund errichtetes Bauwerk aus Hau- bzw. Bruchstein mit quadratischem Grundriss (Seitenlänge ca. 5,90 m), das von einer (nunmehr eingestürzten) Kuppel überdacht war (Abb. 2 und 4).

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Abb. 2: Asarönü bei Limyra, "Memorialbau", von Südwesten. Alice Koder (Zaingrub).
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