ANEMONE ZSCHÄTZSCH  
  Gesammelte Stilblüten zum Dessert  
 

Nach den üppigen Fleischspeisen sollen noch einige Lieblingsgerichte und süße Stilblüten gereicht werden. Öfter erzählte der Jubilar von seinem Lehrer Fritz Eichler, der seine Schüler mit vielen Stilblüten ergötzte. Als Nachsatz solcher Geschichten folgte stets: "Ich bemühe mich, keine solche Sätze loszulassen." Aller Vorsicht zum Trotz hat sich im Laufe der Jahre doch einiges angesammelt.

Zunächst zu den Ritualen: Der Beginn einer Vorlesung läuft folgendermaßen ab:

Variante 1 - die beliebteste unter den Studenten - ist die "Mikrophonnummer". In jüngeren Jahren ging es ohne Mikrophon. Als dann die Technik auch die Archäologen erreichte, wurde ein Mikrophon mit Schnur benutzt. Dabei ergab sich stets die Schwierigkeit, mit Zeigestab und Mikrophon in der Hand so zu hantieren, daß ein Fall über die Schnur oder ein Umwickeln der Beine durch die Schnur verhindert werden mußte. Die Zitate solcher Szenen werden hier besser nicht erwähnt. Im Laufe der Zeit ist dieser heitere Beginn der Vorlesung eher selten geworden, da ein schnurloses Mikrophon und ein Laserpointer zur Verfügung stehen, was das mühsame Pendeln zwischen Pult und Wand überflüssig gemacht hat.

Variante 2 beginnt mit dem Satz: "hm ... hm ... (zweimal kräftiges Husten) ich bin heute etwas verkühlt." Für diejenigen, die nicht das "Kleine Austriacum" besitzen, sei angemerkt, daß "verkühlt" soviel wie erkältet bedeutet.

Auch für das Ende der Vorlesung ist diese Sprachkenntnis von Nutzen, heißt es doch dann mehrmals - mit prüfendem Blick auf die Uhr: "Das geht sich grad noch aus."

,,Das geht aber noch schärfer" hört man immer, wenn vergilbte Reisedias aus den 70er Jahren auftauchen, auf denen dann meistens auch noch eine geländegängige blaugraue Ente zu sehen ist. Bei solchen Dias kann man beruhigt den Stift aus der Hand legen und sich bequem zurücklehnen. Denn es folgt garantiert eine Erzählung von einer Abenteuer-Studienreise. Solche Exkurse werden mitunter kommentiert mit: "Ich schweife gern aus, das finde ich netter."

In den verschiedenen Vorlesungen werden die Studenten dann über alles mögliche aufgeklärt. Begriffserklärungen wie "Hier ist ein Köcher, der auch Pfeile aufnimmt (1)" oder ethnologische Beschreibungen wie ,,Die Makedonen jagen Tiere und andere Leute. (2)" Literaturangaben werden zuweilen drastisch verkürzt mit der Bemerkung: ,,Den Titel schreib ich nicht auf. Es gibt sowieso nur ein wichtiges Buch von ihm. (3)" Durch plastische Vergleiche wird der Lernstoff manchmal erheblich erleichtert: "Das ist die Nike mit dem Bremsfallschirm" (4) oder "Die Opferschale in der Hand erinnert an die Klospülung in fernöstlichen Ländern." (5)

Daß das exakte Datieren in der Archäologie besonders wichtig ist, erfährt man folgendermaßen: Das ist Mitte des 4. Jh. v.Chr. - genauer geht es nicht. (6)

Besonders bei der kritischen Analyse von unterschiedlichen Deutungen werden den Studenten äußerste Vorsicht und Taktgefühl beigebracht. Zum Augustusporträt heißt es dann auch ganz sachlich: "Es gibt unterschiedliche Benennungen - ein einziger Bezeichnungssalat." ... Die Lockenphilologie ist hier auf die Spitze getrieben, absoluter Wahnsinn." (7)Andere Deutungsvorschläge werden so beurteilt: "Das ganze ist ein Kartenhauswolkenkratzer" (8), oder "Diese ganze Formanalyse kann man ungeprüft in den Mülleimer werfen." (9) Auch die Architektur kommt nicht zu kurz. So heißt es bei der Besprechung der Piazza d' Oro "...am Südende haben wir wieder eine Kurvenorgie." (10) Der krönende Abschluß des Maussolleions von Halikarnassos wird wie folgt beschrieben: "Die Quadriga steht da oben wie auf einem Parkplatz." (11) Und der Palast in Aigai wird als ,,aufgeblasenes Peristylhaus" bezeichnet. (12)

Zuweilen endet epigraphischer Ubereifer im Nichts. Bei der Besprechung des Bogens von Rimini ertönt erst enthusiastisch: "Lesen wir die lnschrift!" Doch nach einem Blick auf die Länge und die Unleserlichkeit des Textes auf dem Dia folgt dann der Nachsatz: "Ach was, ich schenk' mir das." (13)

Manchmal taucht auch unvermutet Schleichwerbung auf. ,,Die Hekate blickt mercedessternartig in drei Richtungen." (14)Selbst Lebensweisheiten werden im Unterricht behandelt. So zum Beispiel politische Beziehungsprobleme oder der Vergleich der Promillegrenze im Altertum und heute: "Trunkenheit im Kampf im Hellenismus ist nicht wie Trunkenheit am Steuer." (15) Münzen der Kleopatra mit der Legende Philantonios werden fachmännisch beurteilt: "Das hat die Kleopatra nur gemacht, um ihn einzukochen." (16)

Schließlich wird auch über das Sexualleben alter Helden aufgeklärt: "Herakles zeugte mit Auge den Telephosfries." (17) (deshalb wohl auch die Frühdatierung ?)

Die Liste der Desserts ist zwangsläufig unvollständig. Zum einen wurden solche herausgenommen, deren Verfallsdatum überschritten war. Zum anderen werden in den kommenden Jahren noch neue köstliche Kreationen erwartet.

 
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