JÜRGEN BORCHHARDT  
  Interpretation zu einer Karikatur " Limyra asfalt için çok teşekkür eder"  
 

Welche Wirkung ein politischer Gegner erzielte, als er Kleon masturbierend als Sphinx auf eine Säule setzte (1), entzieht sich dem Zugriff der historischen Forschung (2), ob es eine Wechselwirkung zwischen der 1987 datierten Karikatur (Abb. 1) und dem heutigen Zustand inmitten der Ruinen von Limyra, das die Lykier in klassischer Zeit selbst Zêmuri nannten, gibt, darf auch von dem Jubilar bezweifelt werden, der ebenfalls auf eine beachtliche Karriere als Gesuche auf internationales Parkett Schleudernder zurückblicken kann. Die folgenden Betrachtungen gehen von dem Prinzip Hoffnung aus und der Erfahrung, daß das Gastgeberland für unsere Forschungen auf dem Gebiet der politischen Karikatur außerordentlich aktiv ist und diese Art der politischen Auseinandersetzung sehr zu schätzen weiß.

Wie das "Gerücht" von P. Weber wabert das Furcht und Entsetzen hervorrufende Gespenst der damals geplanten Asphalt-Straße durch die Ruinen: Als Feind Mitte rechts ist das Triumvirat mit einem von den Großgrundbesitzern gekauften Politiker, einem der von wirtschaftlichen Interessen bestimmten Vertreter des "Straßen- und Dörfer" Ministeriums, sowie einem für korrupt gehaltenen lokalen Vertreter des Kultusministeriums bzw. des Landesdenkmalamtes zu erkennen. Bezeichnenderweise tagt das Triumvirat über dem Kommunikationszentrum der antiken Stadt, der scaenae frons des Theaters. Die vertikalen Elemente über dem Abschluß der cavea stellen nicht Bauschmuck in Form von Statuen dar, sondern Holzmasten für die Vela-Bespannung während der Spielzeit in Kreuzform und unterstreichen damit die Argumente der Ankläger in einem multikulturellen Kontext. Der Widerstand gegen die Planung der asphaltierten zweispurigen Straßenführung in Ost-West-Richtung durch die Ruinen wird von dem Nachfolger des die Chimaira bekämpfenden Heros Bellerophon (3) geleitet, dem vom Wahn besessenen Grabungsleiter, von Volk und Senat von Limyra als Verteidiger der antiken Stadt legitimiert zu sein, der schnurrbärtig, mit sorgenzerfurchter Stirn und glatzköpfig das Triumvirat und die Ebene von Finike nicht etwa mit Kanonenkugeln beschießt, sondern mit versiegelten Mahnungen, Briefen, Gesuchen und Berichten über Einbrüche, Diebstähle, Brandstiftungen und über die staatlich zwar nicht geförderte aber doch passiv geduldete Vernichtung der Ruinen unter einer Asphalt-Decke. Unberührt vom Kampflärm beherrscht die mehrgeschossige Anlage der Zitadelle auf der Akropolis (4) die Landschaft. Die Anregungen lieferte der seit 1971 bekannte Eckblock mit der Architekturdarstellung von der Reiterbasis (5). Den Burgberg aufwärts frißt sich der blinde, kopflose nur durch die Antennen des Profitstrebens geleitete Tatzelwurm der ungeliebten Asphaltstraße sein Haupt drohend erhoben zwischen Nord-West-Stadt und dem Heroon für den gräßlichen Tyrannen in imaginäre Höhen. Dessen tränenvergießende Karyatiden sind wohl weniger als Horen und Chariten, Seelengeleiter der Seele des zur Göttlichkeit verurteilten Monarchen zu verstehen, auch nicht als potientielle Haremsdamen in der Funktion von Klagefrauen wie in Sidon (6). Der Verf. möchte nicht ausschließen, daß hier auch Kryptoportraits gemeint sein können, da sie sich trotz großer Trauer doch wiederum sehr kommunikativ verhalten. Schon hat sich ein sensationslüsternes Touristenpaar von Ephesos - verirrt in das weite Land der Lykier - der neuen Modernität versprechenden Wegführung anvertraut. Sie ahnen nicht, daß in einem die Länge des trojanischen Krieges entsprechenden Zeitraum die Grabungen in den Hanghäusern durch einen Dorfbewohner aus dem Yörüken-Krätzl durch das illegale Bepflanzen von mus, d.h. von Bananenstauden zum Erliegen und der Grabungschef, die Schnittleiter und Mitarbeiter/innen zur Verzweiflung gebracht wurden. Die Karikatur folgt jedenfalls in erstaunlicher Weise den damaligen neuesten Erkenntnissen der durch das Berliner DAI-Architektur-Referat angeheizten Debatte um die klassische Wohnkultur und durch die Bekanntwerdung des Grabungsleiters mit den Errungenschaften der Wiener Gemeindebau-, Haus- und Wohnanlagen der 20er Jahre (7). Auch ohne Streit zwischen Grabung und Dorf (8) holt sich heute die Natur ihr Terrain zurück. Das Modell der limyräischen Wohnanlage A, das 1984 in dem Atelier des Marangoz entstand, war der Anlaß für einen bedauernswerten Unfall. Unterhalb der Treppen, die in Hanglage in Nord-Süd-Richtung die insulae von einander trennen, d.h. südlich des Schauplatzes der "Schlacht der Bananen", verläßt nächtens auf ungewöhnliche Art und Weise ein bärtiger Herr einen mehrgeschossigen Gebäudekomplex, der das später gestellte Thema: Lebte der Dynast in einem Palast in der Unterstadt? ganz eindeutig schon wesentlich früher verifiziert (9). Die Gaslampe in seiner Hand bezeugt, daß er sich auf dem Territorium der von der Grabung beanspruchten westlichen Unterstadt befindet, denn der Grabungsleiter duldet die Errungenschaften der Elektrizität nicht. Eingeweihte in die Geheimnisse der gräko-persischen Kunst werden feststellen, daß hier keine somnambule Nachtmütze durch die Finsternis irrt, sondern wie am Portrait unschwer zu erkennen (10) SM perikle, der Zêmuride, den Asphalt fürchtend, als Zeichen seiner Dependenz vom persischen Großkönig die einfache Tiara auf dem Haupt, aus dem südwestlichen Eckturm seiner Residenz vom tetrapyrgion-Typus zu entweichen wünscht - offenbar nicht ohne ihm zugestandenes Feudalgefolge, wie zwei Stockwerke über ihm nackte vermutlich männliche Gliedmaßen bezeugen. Und als von Herodot, Herakleides Pontikos und von Bachofen verspotteter Lykier eilt er seiner wutschnaubenden nach Süden flüchtenden Mutter oder seiner noch immer namenlosen Gattin (11) hinterher.

Nach dem Stand der Achzigerjahre bedrohen die Schlingen der Asphalt-Straße auch das ca. 36 m hoch aufragende Ptolemaion. Voller Angst sind Ptolemaios II. und Arsinoe II. aus der Cella der peripteralen von Knautschki, dem Löwen, bewachten Tholos (12) getreten und lugen hinter den Säulen nach den Übeltätern, Mustafa Asphaltci und Co. und planen ihren Rückzug nach Alexandrien (13). Dank der 1999 von den türkischen Behörden durchgeführten und von Österreich finanzierten Enteignung von Parzelle 70 und 71 kann die Grabung heute - um einen Experten des hellenistischen Herrscherkultes vermehrt (14) - den Kult der Theoi Philadelphoi in einem vom FWF finanzierten Projekt fortsetzen. Aufbegehrend - und doch schicksalsergeben - hat Gaius Caesar seine Position als vergöttlichtes Mitglied des Kaiserhauses über seinem Kenotaph in der westlichen Unterstadt aufgegeben und seine Lanze über die Knie gelegt - und versucht, in der Position eines Atlanten die Last der drohenden Asphalt-Decke zu tragen. Der pyramidale Dachaufbau ist noch immer nicht gesichert, wohl aber die Blendarchitektur über dem hier unsichtbaren (weil damals und heute noch unpublizierten Fries) Sockel und Fundament (15). Rechts unten erfaßt vom milden Licht der Gaslaterne finden sich auf dem Boden der pombierten Säulenstraße die durchschlagenden, aber vermutlich nutzlosen Zeugen des Zornes, Bananen und Bananenstauden sowie versiegelte und sicherlich ungelesene Briefe und Berichte. Den weiblichen Viererverein möchte man in diesem Lichte und entgegen der oben geäußerten Vermutung so deuten, daß sich Röcke raffend die Tyche der Stadt aus Protest gegen den Asphalt anschickt, voller Zorn und mit lautem Protest, die Stadt zu verlassen unter Mißachtung der hilflosen Dialog-Versuche des Dreivereins der Horen, Chariten oder Nymphen (16).

Wenn hier aus dem Lykien/Limyra-Archiv eine 41,7 cm hohe und 29,5 cm breite mit Bleistift, schwarzem und blauem Farbstift sowie einem Architekten-Tuschestift gezeichnete Karikatur auf Papier (17) ins Licht gerückt wurde, dann soll sie nur eine Aufgabe haben, den Jubilar an seine Besuche an den Wassern des Limyros zu erinnern (18) und ihn zu erfreuen.

 

Karikatur
Abb. 1: Karikatur
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