CARMEN BIRKLE - NICOLE BIRKLE  
  Die Klassische Archäologie - Modern Androculturalism
Zur Problematik feministischer Linguistik
 
 

Da die beiden Autorinnen nicht derselben Fachrichtung angehören, sondern sich in den wenig verwandten Gebieten der Amerikanistik und der vorerst noch als solche zu benennenden Klassischen Archäologie betätigen, soll an dieser Stelle keine konkrete archäologische Fragestellung diskutiert werden. Unser Thema ist, wie wir hoffen, von eher allgemeinerem Interesse und doch einigermaßen revolutionär, da wir unter anderem an einer der Grundfesten der Archäologie, nämlich an ihrer Benennung als solcher, rütteln möchten. Die Thematik gehört zudem mehr oder weniger in den Bereich der Genderproblematik und ist somit hochaktuell.

Wir möchten das Forum dieser Festschrift nutzen, um zwei Fragen nachzugehen: Zum einen gilt es aufzudecken, warum noch immer bei vielen Studentinnen der Klassischen Archäologie (1) das Interesse an frauenspezifischen Fragen nicht sonderlich ausgeprägt ist. Zum anderen soll - wie bereits angekündigt - die Bezeichnung der Disziplin als "Die (klassische) Archäologie" unter dem Gesichtspunkt hinterfragt und diskutiert werden, ob diese aus heutiger (feministischer) Sicht überhaupt noch tragbar ist (2). Wir widmen diese Überlegungen Ihnen, Herr Professor Fleischer, da auch Sie sich in zahlreichen, wenn auch nicht immer ganz ernst gemeinten, Bemerkungen kritisch hinsichtlich der Bezeichnung des Faches als "Klassische Archäologie" geäußert haben - und damit sicher unsere Bestrebungen zur Umbenennung schätzen werden - und Sie zudem auch immer ein offenes Ohr für neue und besonders auch feministische Ansätz e in unserem Fach gezeigt haben (3).

In den letzten Jahren nehmen Genderstudies (4) auch in den altertums-wissenschaftlichen Disziplinen, wobei wir hier in Mainz diese Strömungen leider weitgehend verschlafen haben, einen wichtigen Raum in der modernen Forschung ein. Zurecht wird aber gar von einem männlichen Autor beklagt, daß "zwischen feministischer Archäologie im universitären Bereich und ihrer Außenwirkung mithin kaum ein Zusammenhang besteht" (5), d. h. die neuen Strömungen zu wenig wahrgenommen werden.

Daß es selbst im universitären Bereich oft Defizite gibt, läßt sich daran festmachen, daß sich bei Befragung einiger Studentinnen in unserem Fach zeigt, daß bei diesen weder das Bewußtsein für diese Fragestellungen noch das Interesse daran besonders ausgeprägt sind und z. T. feministische Ansätze sogar ablehnende Reaktionen hervorrufen (6). Dies dürfte nicht zuletzt auch an dem bei uns noch sehr androzentristischen Lehrangebot liegen, nehmen doch dabei Themen wie "Der Doryphoros des Polyklet", "Der Apoll vom Belvedere", "Bildhauer des 4. Jh.", "Kunst unter Perikles", "Kunst unter Augustus", "Kunst unter Traian" etc. immer noch einen großen Raum ein.

Selbst in Titeln zeitgenössischer Studien, sofern nicht explizit frauenspezifische Themen behandelt werden, finden sich kaum geschlechtsneutrale oder gar feminine (7) Bezeichnungen, selbst wenn diese von Frauen verfaßt werden. Ein Beispiel sind die beiden Standardwerke von Erika Simon "Die Götter der Griechen 2 (1980)" und "Die Götter der Römer (1990)". Theoretisch wäre schließlich auch ein Titel, wie "Die Göttinnen und Götter der Griechinnen und Griechen" durchaus denkbar gewesen, wenn auch zugegebenermaßen ein solcher auf den ersten Blick etwas schwerfällig anmutet. Weniger abwegig erscheint uns dieser Titel aber, wenn wir auf ein Beispiel aus der Alltagswelt, welches Luise Pusch beschreibt, zurückgreifen:

Wenn Ute Schülerin ist, ist Uwe Schüler, dann sind Ute und Uwe Schüler, nicht Schülerinnen, denn Uwe verträgt das Femininum nicht.(8)

Kommen wir nun auf unser Beispiel mit den Göttern zurück, fällt es schwer bei der rein männlichen Form zu bleiben, vertragen doch Aphrodite, Demeter, Artemis, Selene oder Tyche das Maskulinum ebensowenig wie Uwe das Femininum (9).

Aber erst in den letzten Jahren ist dieser Umstand vereinzelt bemängelt worden. Woran mag das liegen? Ein Grund könnte der eindeutige Überhang an weiblichen Studierenden in unserm Fach sein, der uns zwingt, uns täglich, ob wir es nun wollen oder nicht, mit frauenspezifischen, wenn auch nicht immer archäologisch relevanten, Fragen zu beschäftigen. Sind wir Frauen in der Archäologie nicht zudem täglich mit einer Flut von weiblichen Bezeichnungen umgeben, so daß uns ein paar Maskulina zuviel vielleicht kaum stören?

Alle Nachbarwissenschaften, mit denen wir uns befassen, sind mit weiblichen Artikeln versehen: die Numismatik, die Epigraphik, die (Alte) Geschichte, die Philologie, die Anthropologie, die Ethnologie usw. Zudem sind für fast alle Monumentgattungen, mit denen wir uns auseinandersetzen, ebenfalls feminine oder wenigstens doch geschlechtsneutrale Bezeichnungen üblich: das/die Relief/s, das/die Votivblech/e, die Architektur, die Skulptur, die Vasen/die Keramik, die Stadtanlagen, das/die Mosaik/en usw. An der männlichen Bezeichnung einiger Untergruppen, wie den Tempeln, den Bögen, den Turmbauten etc. mag frau sich dabei wohl dann nicht stören müssen und ein mehr feministisch orientiertes Lehrangebot wird unter solchen Bedingungen kaum gefordert werden können.

Auch was Studium und Beruf im organisatorischen Bereich betrifft, wird frau zunächst doch durchaus von weiblichen Vorzeichen begleitet: die Zwischenprüfung, die Magisterarbeit, die Promotion, die Habilitation, die Arbeitslosigkeit, die Familie. Obwohl bei Männern in unserem Fach leider häufig dieselbe Laufbahn festzustellen ist, am Ende allerdings häufiger die Umorientierung anstelle der Familie steht, erscheint es vielleicht doch sinnvoll, die gängige Praxis, daß im inneruniversitären Sprachgebrauch häufig Begriffe wie Assistenten und Professoren für Personen beiderlei Geschlechts verwendet werden, zumindest infragezustellen.

Welchen Weg also könnten wir nach diesen kurzen Einblicken wählen, um noch nicht mit feministischen Ansätzen beschäftigte Frauen auf diesen neuen Weg auch innerhalb der Archäologie zu bringen? Erste Schritte könnten die Einführung dessen sein, was auf Dozierendenebene (10) im Institut für Klassische Archäologie in Mainz bereits verwirklicht wurde, nämlich die Einführung einer Männerquote (vgl. Abb. 1) für die Studierenden der Mainzer Archäologie.

 
 
Geschlechterstruktur
Abb. 1: Geschlechterstruktur auf der Ebene der Dozierenden am Institut für Klassische Archäologie in Mainz.

 
 

Zudem ist anzumerken, daß gar bei der letzten Neubesetzung des Geschäftszimmers der Klassischen Archäologie ein Mann den Vorzug erhielt. Da aber eher rückwärtsgewandten, vergeistigten Altertumswissenschaftlerinnen wohl radikale Veränderungen eher ins Bewußtsein dringen als allzu akademisch-statistische Prozesse, schlagen wir zudem eine Umbenennung der Gesamtdisziplin vor.

 

Personifikation der (Klassischen) Archäologie
Abb. 2: Personifikation der (Klassischen) Archäologie (11)

Längst ist der Begriff der Archäologie (12) ohnehin nicht mehr zeitgemäß, tun wir doch viel mehr als nur von den alten Dingen zu sprechen. In der heutigen Zeit, in der die ursprünglichen Methoden der Archäologie, wie Winckelmann sie etablierte und sie z. T. auch noch bis in die jüngste Vergangenheit betrieben wurden, eigentlich schon lange nicht mehr den heutigen Entwicklungen entsprechen, müssen wir auch der Archäologie unseres Erachtens insgesamt ein neues Gesicht geben. Und nachdem mehr als 200 Jahre seit Winckelmann viele männliche Kollegen die große Liebe und Berufung in der Archäologie (Abb. 2) finden durften, haben wir Frauen wohl jetzt das Recht, eine männliche Benennung des Faches zu verlangen, in welchem wir dann vielleicht auch den Mittelpunkt und den Lebensinhalt finden können. Durch die somit ständige Verbindung mit der männlichen Komponente ergibt sich unserer Meinung nach eine erneute B eschäftigung mit feministischen Inhalten nach einem angemessenen Zeitraum -sozusagen als gewünschte Gegenreaktion - ganz von selbst. Aufgrund der heutigen Tendenzen und Strömungen, wie der Einbeziehung interkultureller Beziehungen, des Strukturalismus, der Systemanalysen usw., die sich in ihrer Aktualität voraussichtlich sehr bald auch wieder selbst überholen werden, würden wir daher aus genannten Gründen und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, international kommunikationsfähig zu sein, eine, wenn auch nur vorläufige, Neubenennung der Klassischen Archäologie in

Modern Androculturalism

vorschlagen. Allen, denen dies als Frevel scheint, mag es ein Trost sein, daß jeder (männliche) "ismus", der ja meist mehr eine Strömung als eine echte Wissenschaft beschreibt, häufig sehr schnell von einer ordentlichen (weiblichen) "ologie" abgelöst wird.

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